Berufung

Christian SchüllerMaria Taferl trägt den Spitznamen "der Beichtstuhl der Diözese".

Am Ufer der Donau steht das Marienheiligtum von Maria Taferl. Wir sprachen mit Christian Schüller, einem der Verantwortlichen für diese zweitwichtigste heilige Stätte Österreichs.

Fritz Brunthaler-9. Juli 2022-Lesezeit: 7 Minuten

Am Nordufer der Donau, unweit des berühmten Weinanbaugebiets der Wachauweithin sichtbar und mit einem weiten Blick auf die Alpen, steht das Marienheiligtum von Maria Taferl als "das Juwel am Taferlberg".. Nach Mariazell ist das zweitgrößte Heiligtum Österreichs und das größte Regionalheiligtum in Niederösterreich. Zwischen 250.000 und 300.000 Besucher kommen jedes Jahr, um in der kleinen Basilika vor dem kleinen Bildnis der Pietà der Schmerzhaften Muttergottes zu beten.

Die Verehrung von Maria Taferl geht auf das 17. Jahrhundert zurück. Im Jahr 1633 wollte der Schäfer Thomas Pachmann eine Eiche fällen, ohne die hölzerne Tafel mit dem Kreuz zu bemerken, die daran hing. Wie durch ein Wunder gelang es ihm nicht, den Baum zu fällen, aber bei dem Versuch, dies zu tun, verletzte er sich an beiden Beinen. Als er das Kreuz sah, bat er Gott um Vergebung und wurde auf der Stelle geheilt. Neun Jahre später ersetzte Richter Alexander Schinnagl in einer geistigen Notlage das Kreuz durch ein Bild, das er in seinem Haus hatte, und wurde dadurch erleichtert und geheilt. Als die vertrocknete Eiche 1651 wieder zu grünen begann und sich Berichte über Erscheinungen und Heilungen verbreiteten, wurde 1660 mit dem Bau der Kirche im Barockstil begonnen und mehr als 60 Jahre später vollendet.

Im 17. und 18. Jahrhundert war der Zustrom von Pilgern so groß, dass manchmal fünfundzwanzig Priester nötig waren, um die Pilger zu betreuen. Während der Hundertjahrfeier im Jahr 1760 sollen 700 Prozessionen und 19.000 Messen gefeiert worden sein. Die zahlreichen Votivgaben und Mirakelbücher, die in der Schatzkammer der Wallfahrtskirche aufbewahrt werden, zeugen noch heute von der Beliebtheit der Wallfahrt nach Maria Taferl. 

Unter Kaiser Joseph II. wurden die Wallfahrten verboten und die Kirche, die bis dahin zu Passau in Deutschland gehörte, wurde der österreichischen Diözese St. Pölten übertragen und zur Pfarrkirche. Nach diesem Rückgang der Wallfahrten, der auch auf die napoleonischen Kriege zurückzuführen ist, erlebte Maria Taferl im 20. Jahrhundert und vor allem in den letzten Jahrzehnten einen Aufschwung: Wie an anderen Orten der Welt kommen Menschen aus aller Welt, manchmal nach einer langen Reise, um vor dem Altar mit der stilisierten Eiche zu beten, ihr Herz zu öffnen, das Sakrament der Buße zu empfangen und an der Heiligen Messe teilzunehmen.

Das Maria-Taferl-Heiligtum an der Donau

Wir sprachen mit Christian Schüller, der seit mehr als drei Jahrzehnten als Mitglied des Pfarrgemeinderates und des Kirchenvorstandes maßgeblich an der Leitung von Maria Taferl beteiligt ist, über seine Erfahrungen. Seit dem Jahr 2000 ist er ehrenamtlich für die jüngste Renovierung sowie für die Schatzkammer und das Archiv der Wallfahrtskirche zuständig.

Herr Schüller, Sie haben die meiste Zeit Ihres Lebens in Maria Taferl gelebt und gearbeitet. Was ist das Besondere an diesem Ort?

Einerseits ist sie zu meinem zweiten Zuhause geworden, andererseits ist sie ein Ort der Gnade, an dem unzählige Gebete verrichtet werden. Ein Ort, der viele Menschen mit Sorgen und Nöten anzieht, die aber auch kommen, um zu danken. Auch für mich, der ich von hier komme, ist Maria Taferl eine enorme Kraftquelle.

All die Jahre hat er ehrenamtlich in der Pfarrei gearbeitet, als Laie, und er hilft bei allem, was nötig ist, er öffnet morgens die Kirche und schließt sie abends, manchmal ist er auch als Messdiener tätig. Haben Sie auf diesem Weg eine besondere Beziehung zur Heiligen Jungfrau bekommen?

Schon als Kind hatte ich eine tiefe Beziehung zur Jungfrau Maria. Ich erinnere mich an die wunderbaren Andachten im Monat Mai und vor allem an die marianischen "Jozos", die ich heute noch im Ohr habe.

Und dann, in Maria Taferl, kann man gar nicht anders, als ein Verehrer der Schmerzensmutter zu werden. Jeden Tag schaue ich sie auf dem Hochaltar an und danke ihr. Aber ich bitte sie auch um viele Dinge. Und ich bin fest davon überzeugt, dass sie mir in meinem Leben sehr geholfen hat.

Sie sind seit langem der Vertreter des Pfarrers im Pfarrgemeinderat, d.h. der zweite Verantwortliche für die Leitung des Heiligtums. Können Sie Ihre Tätigkeit irgendwie zusammenfassen? Was war das Schönste, was das Schwierigste?

Der Wallfahrtsort wird seit 50 Jahren von der sogenannten Hünfelder Oblaten (Hünfelder Oblaten). Durch das ständige Kommen und Gehen der Ordensleute, die im Durchschnitt etwa sieben Jahre hier sind, bin ich so etwas wie ein Wächter und Verwalter dieses Gnadenortes geworden.

Im Laufe der Jahre haben sich die Aufgaben ausgeweitet, so dass ich heute für die Finanzagenda, das Archiv, die Paramente, die Bibliothek und die Schatzkammer und eigentlich für alles, was mit der Kirche zu tun hat, zuständig bin.

Das Schönste sind für mich die bewegenden Geschichten der Menschen, wenn sie Votivgaben mitbringen und so ihren Dank oder ihre Bitten an die Jungfrau Maria richten. 

Das Schwierigste ist sicher, dass wir die finanziellen Kosten decken können. Da wir keinen Grund und Boden besitzen, wie z.B. die Klöster in der Umgebung, müssen wir die Mitarbeiter und alle Betriebskosten aus den Spendeneinnahmen finanzieren. Und das ist manchmal wirklich sehr eng.

Bis zu 300.000 Besucher kommen jedes Jahr nach Maria Taferl. Kommen sie, um zu beten, oder um sich zu erholen? Können Sie etwas über die Wallfahrten der letzten Jahrzehnte sagen?

Manchmal merkt man, dass das Pilgern, oder vielleicht auch das Wandern, wie man es nennt, wieder in Mode ist. Und so bewegt das Wandern die Menschen ganz unbewusst dazu, ein Gebet zu sprechen, sich zum Gebet zu sammeln und eine Kerze anzuzünden. Natürlich spielt auch die geografische Lage von Maria Taferl eine Rolle. In Zeugnisbüchern können Sie viele bewegende Geschichten lesen und sich ein Bild von der Wallfahrt, Wanderung oder Busfahrt nach Maria Taferl machen.

Gibt es besondere Veranstaltungen für Pilger in der Kirche oder in der Gemeinde, und kommen auch viele junge Leute? 

Natürlich muss es im Altarraum besondere Ereignisse geben. Sie ist eine sehr gefragte Kirche für Hochzeiten (etwa 40-50 pro Jahr) und Taufen (etwa 60 pro Jahr). Außerdem gibt es Konfirmationen und Konzerte. Das eigentliche Gemeindeleben (wir haben etwa 800 Gläubige) tritt, das muss man offen sagen, gegenüber der intensiven Tätigkeit der Wallfahrten in den Hintergrund.

Auch junge Menschen kommen gerne nach Maria Taferl, weil sie zum Beispiel das Angebot der fünf Sonntagsmessen schätzen. In der Zeit vor COVID19 haben wir auch Familienmessen abgehalten, an denen bis zu 400 Menschen teilgenommen haben.

Bild von Maria Taferl

Erinnern Sie sich an besondere Ereignisse oder Begegnungen im Zusammenhang mit Pilgerreisen?

Viele der Wallfahrtsgruppen kommen schon seit Generationen nach Maria Taferl (meist sogenannte Votivwallfahrten). Im Laufe der Jahre sind viele Teilnehmer der Pilgergruppen zu Freunden des Heiligtums geworden, und man freut sich, wenn man im Wochenprogramm liest, dass diese Woche eine Gruppe von hier oder dort an diesen heiligen Ort kommt. 

Und die jungen Leute kommen auch, und so wird diese Tradition auch an die nächste Generation weitergegeben. Viele nehmen ein Souvenir mit, Weihwasser oder Lebkuchen für die Daheimgebliebenen, damit sie wissen: Ich war in Taferl.

Seit dem Brand von 1870 ist die Pfarre Maria Taferl auch eine Wallfahrt in die Nachbarpfarre Neukirchen. 

In der Kirche gibt es etwa 20 Beichtstühle. Sind alle noch notwendig? Wie wird das Sakrament der Vergebung hier erlebt? Drücken die Gläubigen ihre Zufriedenheit darüber aus, hier beichten zu können?

Maria Taferl trägt seit Jahrzehnten den Spitznamen "der Beichtstuhl der Diözese". Bis vor einigen Jahren mussten sonntags immer zwei oder drei Priester in den Beichtstühlen sitzen. Die Menschen wissen, dass sie in Maria Taferl jederzeit zur Beichte gehen können. Wenn heute jemand beichten muss, kann er eine Glocke betätigen, die den diensthabenden Priester in seiner Wohnung alarmiert. Smartphone.

Viele junge Paare gehen hier auch gerne zur Beichte, vor allem vor der Heirat, und oft, weil sie Angst haben, bei ihrem eigenen Pfarrer zu beichten. Maria Taferl ohne Beichte wäre unvorstellbar.

Sie sind für die Schatzkammer verantwortlich, können Sie sie näher beschreiben? Wie viele Votivgaben gibt es ungefähr? Erinnern Sie sich an besondere Reaktionen der Besucher? Was ist Ihr Lieblingsstück in der Schatzkammer?

Besonders an Wallfahrtsorten bringen die Menschen gerne Votivgaben mit. Als Danksagung oder zur Begleitung einer Bitte. Auch heute noch, wenn auch nicht mehr so häufig wie früher, werden einige von ihnen gebracht. Der Schatz unserer Basilika ist ein Tresor. Aber es ist eher ein Schatz des Glaubens, denn hinter jedem Stück steht eine Geschichte und eine Bitte. Deshalb wird jedem Stück der gleiche Wert beigemessen, sei es ein wertvoller Diamantring einer angesehenen Witwe oder ein Teddybär, den ein Kind mitbringt, weil seine Mutter von einer schweren Krankheit genesen ist. 

Es sind wirklich bewegende Geschichten. Wenn man alle Votivbilder zusammenzählt, muss es sich um einige tausend Objekte handeln. Viele der Besucher kommen auch, um ihren Enkeln oder Urenkeln die Votivgaben der früheren Generationen zu zeigen. Mir persönlich gefallen die antiken Paramente sehr gut, die zumeist von Mitgliedern des kaiserlichen Haushalts selbst angefertigt und bestickt wurden.

Der emeritierte Papst Benedikt XVI. bezeichnete Maria Taferl in einer Grußbotschaft als "Leuchtturm Gottes". Der Leuchtturm passt sehr gut zur geografischen Lage an der Donau. Kann man sagen, dass dies auch für die geistige Dimension gilt, dass Maria Taferl auch zur geistigen Erneuerung des Landes beiträgt?

Ich glaube, dass Maria Taferl sicherlich viel zur geistigen Erneuerung des Landes beiträgt. Jeder, der in Maria Taferl ist, geht auch in die Kirche, und das wage ich fast mit Sicherheit zu behaupten. Auch wenn man manchmal das Gefühl hat, dass sich die Menschen wie in einem Museum verhalten, so sprechen sie doch, wie eingangs erwähnt, vielleicht auch unbewusst ein kurzes Gebet, machen das Kreuzzeichen oder zünden eine Kerze an.

Und dann lohnt es sich, beim abendlichen Schließen der Kirche noch einmal eine Geste an die Muttergottes zu richten und ihr für all das zu danken. "Maria mit dem Kindlein lieb, gib uns allen deinen Segen", mit dem weit verbreiteten deutschen Gebet: "Maria mit dem Kindlein lieb, gib uns allen deinen Segen".

Der AutorFritz Brunthaler

Österreich

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