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"O Tannenbaum": die Geschichte des berühmten Weihnachtsliedes

"O Tannenbaum" ist eines der bekanntesten Weihnachtslieder der Welt und wird in diesem Jahr 200 Jahre alt.

Veit-Mario Thiede-28. Dezember 2024-Lesezeit: 4 Minuten
O Tannenbaum

Im letzten Quartal des Jahres 1824 veröffentlichte Ernst Anschütz (1780-1861) das "Musikalische Schulgesangbuch". Es enthält das Weihnachtslied "O Tannenbaum", das er selbst geschrieben hatte. Das Lied ist zu einem weltweit gesungenen Lied geworden und hat etablierte Vorgänger und kuriose Nachfolger.

Sein Autor ist weit weniger bekannt als das Lied selbst. Ernst Anschütz wurde 1780 in dem Bergdorf Goldlauter bei Suhl geboren. Sein Vater war dort Pfarrer und wollte, dass Ernst eines Tages dessen Nachfolge antritt. Obwohl er in Leipzig Theologie, Philosophie und Pädagogik studierte, entschied er sich, die Pfarrstelle in Goldlauter nicht anzunehmen, die nach dem Tod seines Vaters für zwei Jahre für ihn reserviert worden war. Er blieb in Leipzig und arbeitete als Lehrer an der Ersten Bürgerschule, als Organist und Kantor an der Neuen Kirche und als Privatlehrer für Gesang, Klavier, Bratsche, Violine, Cello und Klarinette. Sein Gehalt war jedoch so gering, dass er Mühe hatte, seine Frau und seine sieben Kinder zu ernähren. Dennoch war er in Leipzig ein geachteter Mann.

"Der Tannenbaum und vieles mehr

Allerdings hat er dort keine öffentlichen Spuren hinterlassen. Weder die Erste Bürgerschule, noch die Neue Kirche, noch sein Grab haben den Lauf der Zeit überdauert. Im Stadtarchiv sind jedoch Fotos von Anschütz und die Manuskripte einiger seiner bekanntesten Lieder erhalten geblieben. Dazu gehört "Der Tannebaum", das im Oktober 1824 entstand und heute als "O Tannenbaum" bekannt ist. Außerdem schrieb er im Juni 1824 den Text zu "Fuchs, du hast die Gans gestohlen". Im April 1835 folgte "Die Mühle schwingt am Bach", und Sie können nach diesen Stücken fragen, um sie zu sehen.

Das Gleiche gilt für die im Stadtgeschichtlichen Museum aufbewahrte Kopie seiner unveröffentlichten achtseitigen Autobiografie. Darin spricht er ausführlich über sein "Gesangbuch der Musikschule", das in vier Bänden von 1824 bis 1830 bei Carl Ernst Reclam erschien. Es enthält vor allem Lobgesänge auf den Herrn, aber auch fröhliche Jagd-, Wander- und Kinderlieder, aber auch immer wieder Klagen über den schnellen Lauf der Zeit.

In dem Gesangbuch werden die von Anschütz komponierten oder mit Worten versehenen Stücke von Liedern und Melodien anderer Komponisten wie Luther, Bach, Klopstock oder Mozart begleitet. Anschütz schreibt: "Wenn ich alle Kosten berechne, habe ich wenig oder nichts von dieser Arbeit gewonnen. Dass diese Arbeit nicht wertlos war, beweist die Tatsache, dass Fremde und Freunde mich bestohlen und ihre Hefte und Schulhefte mit meinen Werken gefüttert haben. Aber es war schon immer mein Los, dass, wo ich gesät habe, andere geerntet haben; wo ich gepflanzt habe, haben andere die Früchte gepflückt".

Weihnachten statt Liebeskummer

Anschütz ließ sich aber auch von anderen Komponisten und Textern inspirieren. Der unmittelbare Vorläufer seines Weihnachtsbaumliedes stammt von Joachim August Zarnack. Er veröffentlichte 1820 eine Liedersammlung, die das tragische Liebeslied "O Tannenbaum" enthält. Dessen erste Strophe hat Anschütz weitgehend übernommen. Aus Zarnacks "Du bist grün nicht nur im Sommer, sondern auch im Winter, wenn es friert und schneit" machte er "Du bist grün nicht nur im Sommer, sondern auch im Winter, wenn es schneit". Für Zarnack symbolisiert die immergrüne Tanne die ewige Liebe. Die anderen drei Zeilen seines Liedes beklagen dagegen die Untreue: "O Mädchen, o Mädchen, wie falsch ist dein Gemüt". Anschütz hingegen schlägt einen tröstlichen Ton an, indem er statt Liebeskummer ein hoffnungsvolles Weihnachtsfest besingt: "Wie oft hat mich ein Baum von dir zu Weihnachten nicht erfreut". Die letzte Strophe lautet: "O Tannenbaum, dein Kleid lehrt mich etwas: Hoffnung und Beständigkeit geben Kraft und Trost zu allen Zeiten".

Wie Zarnack hat auch Anschütz sein Weihnachtsbaumlied an die Melodie des Liedes "Es lebe der Zimmermann" angepasst, das erstmals 1799 im Druck erschien. Zahlreiche Texte werden zu dieser Melodie gesungen, mit oder ohne direkten Bezug zu Anschütz. Zum Beispiel die Hymne "Red Flag" der britischen Labour Party oder die Hymne von Maryland und anderen US-Bundesstaaten. Während des Ersten Weltkriegs gab es die Version "O Hindenburg, O Hindenburg, wie schön sind deine Siege". Nach der Niederlage und Abdankung Wilhelms II. gab es das Spottlied "O Tannenbaum, o Tannenbaum, der Kaiser hat sich in Sack und Asche gelegt".

Ein edler Zweig

Das Lied vom immergrünen Tannenbaum hat eine lange Tradition. Zarnack übernahm es von einem Kinderlied, das Clemens Brentano im dritten Band der Liedersammlung "Das Zauberhorn des Kindes" (1808) veröffentlichte: "O Tannenbaum, o Tannenbaum, du bist mir ein edler Zweig, du bist so treu, schwer zu glauben, grün im Sommer wie im Winter". Brentano wiederum ließ sich von einem alten schlesischen Volkslied inspirieren, das lautet: "O Tannenbaum, o Tannenbaum, du bist ein edler Zweig. Du wächst im Winter wie im Sommer". Der Coburger Hofkomponist Melchior Franck (1579-1639) schrieb dann: "O Tanne, o Tanne, du bist ein edler Zweig! Du grünst unsern Winter, unsern lieben Sommer". Abgesehen von den einleitenden Worten "O Tannenbaum" entspricht diese Fassung einer Zeile aus dem Liebeslied "Ein Stallbursche hängt sein Zaumzeug hoch oben am Weihnachtsbaum" aus dem 16.

Auf Initiative des Goldlauter-Heidersbacher Bezirksbürgermeisters Matthias Gering und seiner Mitstreiter gibt die Deutsche Post im Dezember eine Sondermarke mit dem Titel "200 Jahre Weihnachtslied O Tannenbaum" heraus. Leider ist es den Veranstaltern nicht gelungen, den Namen von Ernst Anschütz auf der Briefmarke abzubilden. So bleibt die öffentliche Ehrung von Anschütz ein Alleinstellungsmerkmal seiner Heimatstadt. Vor dem Pfarrhaus, in dem er geboren wurde, befindet sich ein Gedenkstein. Das Metallrelief listet Anschütz' berühmteste Lieder auf und zeigt sein Porträt. Als Vorbild diente das Porträt, das Willibald Ryno Anschütz um 1830 von seinem Vater malte. Am Pfarrhaus endet auch der Liederweg zu Ehren von Anschütz, der auf vier Kilometern bergauf und bergab rund um Goldlauter an den Südhängen des Thüringer Waldes verläuft und mit sechs Stationen zum Mitsingen einlädt.

Die Texte der Lieder sind auf Tafeln geschrieben. Die entsprechende Melodie kann über eine App abgerufen werden. Die Station vor dem Pfarrhaus lädt dazu ein, "O Tannenbaum" zu singen.


Dies ist die Übersetzung eines Artikels, der zuerst auf der Website erschienen ist Die-Tagespost. Für den Originalartikel auf Deutsch, siehe hier . Wiederveröffentlicht in Omnes mit Genehmigung.

Der AutorVeit-Mario Thiede

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