Überraschend hat die Päpstliche Kommission für den Staat Vatikanstadt - das Gremium, das die gesetzgebende Funktion innerhalb der Leonischen Mauern ausübt - am 16. Dezember letzten Jahres eine Erlass Die ersten umfassenden Leitlinien für die Verwendung des künstliche Intelligenzl (IA) innerhalb des Staates.
Die Maßnahme wurde vom Präsidenten des Gouverneursamtes des Staates Vatikanstadt, Kardinal Fernando Vérgez, und der Generalsekretärin derselben Einrichtung, Schwester Raffaella Petrini, unterzeichnet und trat am 1. Januar dieses Jahres in Kraft.
Von den ersten Zeilen an sticht der Text, der in 15 Artikel einschließlich Schlussbestimmungen unterteilt ist, auf der internationalen Bühne durch seine integrierte Vision hervor, die technologische Innovation und ethische Grundwerte miteinander verbindet. Die Grundsätze, die den neuen Leitlinien zugrunde liegen, zielen in der Tat darauf ab, "eine ethische und transparente Nutzung der künstlichen Intelligenz in einer anthropozentrischen und vertrauensbasierten Dimension unter Achtung der Menschenwürde und des Gemeinwohls zu verbessern und zu fördern" (Artikel 1).
Menschliche Autonomie
Das Dekret erkennt somit die KI als ein Werkzeug im Dienste der Menschheit an und nicht als Ersatz für sie. Es ist kein Zufall, dass die Notwendigkeit, die menschliche Autonomie und Entscheidungsfähigkeit zu wahren, in mehreren Artikeln bekräftigt wird, die klare ethische Grenzen für die Anwendung moderner Technologien setzen. Ein besonders wichtiger Aspekt ist beispielsweise das ausdrückliche Verbot des Einsatzes von KI für diskriminierende Schlussfolgerungen oder für Manipulationen, die Menschen körperlichen oder psychischen Schaden zufügen können.
Gleichzeitig verbietet es "unterschwellige Manipulationstechniken", Systeme, die die Sicherheit des Staates gefährden könnten, aber auch solche, deren Ziele "der Sendung des Papstes, der Integrität der katholischen Kirche und der korrekten Entwicklung der institutionellen Aktivitäten zuwiderlaufen" (Art. 4).
Gesundheit, kulturelles Erbe und Urheberrecht
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Dokuments ist, dass es die verschiedenen allgemeinen Grundsätze "thematisch" unterteilt und damit ein breites und tiefes Verständnis für die Herausforderungen der KI in verschiedenen Bereichen zeigt. Im Bereich der wissenschaftlichen Forschung und der Gesundheit (Art. 6) fördert das Dekret beispielsweise die technologische Innovation, wobei der Grundsatz des Vorrangs des menschlichen medizinischen Urteils beibehalten wird. Im Bereich des kulturellen Erbes (Art. 8) zielen die Bestimmungen darauf ab, das Potenzial der KI für die Erhaltung und Aufwertung des künstlerischen Erbes zu nutzen und gleichzeitig strenge Garantien zum Schutz seiner Integrität festzulegen, ohne dabei die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Nutzung auszuschließen.
Besonders innovativ ist der Ansatz zum geistigen Eigentum und zum Urheberrecht (Artikel 7). In den Leitlinien wird die Verpflichtung eingeführt, alle künstlich erzeugten Inhalte mit dem Kürzel "KI" zu kennzeichnen, wodurch eine klare Unterscheidung zwischen menschlicher und künstlicher Schöpfung getroffen wird. Diese Regelung stellt einen wichtigen Präzedenzfall in der Debatte über die Transparenz und die Zuordnung von KI-generierten Werken dar. In Absatz 3 heißt es, dass auch im Falle von KI-generierten Medieninhalten die Regierung "ausschließlich" das "Urheberrecht" und die "wirtschaftliche Nutzung" behält.
Verwaltung, Arbeit und Justiz
In Bezug auf die Verwaltungsverfahren (Art. 10) wird die Möglichkeit des Einsatzes moderner Instrumente zur Vereinfachung und Straffung der Verfahren, zur Erhöhung des Leistungsniveaus, zur Verbesserung der Kompetenzen usw. hervorgehoben, sofern dies auf ethische, transparente, kostengünstige und wirksame Weise geschieht, wobei die alleinige Verantwortung für die Maßnahmen und Verfahren bei "der Person" liegt, die sie durchführt.
Im Bereich der Humanressourcen (Art. 11) ist ebenfalls festgelegt, dass Modelle der künstlichen Intelligenz eingesetzt werden können, um "die Sicherheitsbedingungen am Arbeitsplatz zu verbessern und die Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen"; auch in diesem Fall darf der Einsatz der Technologie "die Entscheidungsbefugnis der Subjekte nicht einschränken". Das Gleiche gilt für die Justiz (Art. 12), wo Entscheidungen über die Auslegung von Gesetzen "ausschließlich dem Richter vorbehalten" sind und KI-Systeme nur zur Organisation und Vereinfachung der richterlichen Arbeit oder der rechtswissenschaftlichen Forschung eingesetzt werden dürfen.
Kontrollkommission
Schließlich sieht das vatikanische Dekret eine besondere Verwaltung der KI vor, und zwar durch ein Kontrollsystem, das gleichzeitig transparent sein soll. So sieht es die Einrichtung einer "Kommission für künstliche Intelligenz" (Art. 14) vor, die sich aus fünf Mitgliedern zusammensetzt und vom Generalsekretär des Governatorato geleitet wird. Diese Kommission hat die Aufgabe, die Einführung von KI-Technologien zu überwachen und ihre Auswirkungen in halbjährlichen Berichten zu bewerten. Sie muss innerhalb der nächsten zwölf Monate die Gesetze und Verordnungen zur Umsetzung des Dekrets ausarbeiten.
Der internationale Kontext
Im internationalen Kontext ist die Maßnahme des Vatikans Teil einer sich rasch entwickelnden Regulierungslandschaft. Es überrascht nicht, dass die Europäische Union vor einigen Monaten ihr KI-Gesetz verabschiedet hat, das der weltweit erste globale Rechtsrahmen für KI werden soll. Die Vereinigten Staaten haben sich für einen eher fragmentierten Ansatz entschieden, bei dem Richtlinien des Präsidenten allgemeine Grundsätze festlegen, aber der Industrie viel Raum für Selbstregulierung lassen. China hat ein System von Vorschriften eingeführt, bei dem der Schwerpunkt auf der nationalen Sicherheit und der Kontrolle von Inhalten liegt, während sich das Vereinigte Königreich für einen flexibleren Ansatz auf der Grundlage nicht verbindlicher Leitlinien entschieden hat.
Im Gegensatz zu anderen Rechtsordnungen, in denen technische oder kommerzielle Erwägungen im Vordergrund stehen, hat der Vatikan beschlossen, die Ethik und die Menschenwürde in den Mittelpunkt der Regulierung zu stellen, ohne dabei in einigen Bereichen auf innovative Lösungen zu verzichten, wie z. B. den Schutz des kulturellen und künstlerischen Erbes des Heiligen Stuhls.