Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es in Berlin mehr als hundert Synagogen. Die erste große Synagoge wurde 1714 von jüdischen Familien gebaut, die 40 Jahre zuvor aus Wien gekommen waren.
Friedrich Wilhelm I., Markgraf von Brandenburg und Herzog von Preußen (1620-1688), bekannt als der Große Kurfürst, lud sie in der Hoffnung ein, dass ihre Fähigkeiten und Geschäftsbeziehungen die Stadt beleben würden.
In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass sich Berlin im Gegensatz zu Städten wie Köln, Frankfurt und Nürnberg, die im Mittelalter und in der frühen Neuzeit stark besiedelt waren, erst im späten 17. und frühen 18.
Nicht nur Berlin, sondern auch ganz Brandenburg war bis dahin nur dünn besiedelt. Aus diesem Grund zog Friedrich Wilhelm nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) zunächst die französischen Hugenotten an, die als kompetente Kaufleute anerkannt waren.
Die meisten ließen sich in Berlin nieder, wo sie 1701 25 Prozent der Bevölkerung ausmachten. Aber auch die jüdische Gemeinde wuchs schnell, vor allem durch den Zustrom von Menschen, die vor dem Pogrome in ihren Heimatländern.
Im Jahr 1860 lebten etwa 28.000 Juden in Berlin. Zwischen 1855 und 1875 wurde die Synagoge in der Oranienburger Straße gebaut, die 3.200 Menschen Platz bot und das wachsende Selbstbewusstsein der jüdischen Gemeinde widerspiegelte.
Das Zentrum des jüdischen Lebens lag nicht weit entfernt, zwischen Hackeschem Markt und Alexanderplatz - dem Schauplatz von Alfred Döblins berühmtem Roman "Berlin Alexanderplatz" (1929).
Im Jahr 1905 lebten in Berlin 130.487 Juden, das sind 4,3 Prozent der Bevölkerung. Es wurden zahlreiche Synagogen gebaut; die letzte, im Bezirk Wilmersdorf, wurde am 16. September 1930 eingeweiht.
Die meisten von ihnen wurden jedoch in der Pogromnacht vom 9. November 1938 zerstört. Heute gibt es nur noch zehn Synagogen in Berlin, die bekannteste ist die "Neue Synagoge", die, wie oben erwähnt, in der Oranienburger Straße steht.
Die Neue Synagoge
Im Jahr 1856 erwarb die jüdische Gemeinde ein Grundstück in der Oranienburger Straße, und 1857 wurde ein Architekturwettbewerb für eine neue Synagoge ausgeschrieben. Eduard Knoblauch, Architekt und Mitglied der Preußischen Akademie der Künste, führte den Vorsitz der Wettbewerbskommission, entwarf die Synagoge aber letztlich selbst.
Als er 1859 schwer erkrankte, wurde er durch den preußischen Hofarchitekten Friedrich August Stüler ersetzt, der die Innenausstattung entwarf. Die Synagoge wurde am 5. September 1866 in Anwesenheit von Reichskanzler Otto von Bismarck eingeweiht.
Während der Pogrome im November 1938 versuchten SA-Angehörige, die Neue Synagoge in Brand zu setzen. Wilhelm Krützfeld, Leiter der nahegelegenen Polizeistation, griff ein, um das Gebäude zu schützen, und wies auf seinen Status als geschütztes Denkmal hin.
Dank seines Eingreifens löschte die Feuerwehr den Brand und rettete die Synagoge. Krützfeld wurde später am Arbeitsplatz schikaniert; heute erinnert eine Gedenktafel an sein mutiges Handeln.
Nachdem die Folgen des Brandes beseitigt waren, konnte die Neue Synagoge ab April 1939 wieder für Gottesdienste genutzt werden. Die Kuppel musste wegen der drohenden alliierten Luftangriffe mit Tarnfarbe gestrichen werden.
Nach einem letzten Gottesdienst in dem kleinen Betsaal am 14. Januar 1943 übernahm die Wehrmacht das Gebäude.
Zu Beginn der so genannten Schlacht um Berlin durch das britische Bomber Command wurde die Synagoge in der Nacht zum 23. November 1943 schwer beschädigt. Das Gebäude wurde jedoch weiter beschädigt, als die Ruinen nach dem Krieg als Quelle für Baumaterialien genutzt wurden.
Dies führte 1958 zu ihrem teilweisen Abriss. Nach der Teilung Berlins blieb die Neue Synagoge zunächst im sowjetischen Sektor und seit der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) im Jahr 1949 in Ost-Berlin.
Noch zu DDR-Zeiten, 1988, wurde mit dem Wiederaufbau der Ruine begonnen. Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde 1995 das "Centrum Judaicum" eröffnet.
Dieses Museum und Kulturzentrum beherbergt eines der wichtigsten Archive zum deutschen Judentum. Das Museum befasst sich mit den Themen der deutsch-jüdischen Geschichte: Enkulturation, Selbstverständnis der deutschen Juden, Verfolgung und Völkermord, Wiederaufbau der Gemeinden und die Wiederentdeckung des jüdischen Berlins.
All dies macht das Gebäude nicht nur zu einem Wahrzeichen Berlins, sondern auch zu einem international anerkannten Symbol für die Geschichte Berlins und des deutschen Judentums.
Architektur und Symbolik
Das Gebäude der Neuen Synagoge, das 3.200 Personen Platz bot, spiegelte das stetige Wachstum der Berliner Gemeinde wider, die sich in den zwei Jahrzehnten vor 1866 auf 28.000 Personen vervierfacht hatte, was vor allem auf die Zuwanderung aus den preußischen Ostprovinzen zurückzuführen war.
Seine enormen Kosten von 750.000 Talern spiegeln den sozioökonomischen Aufstieg der Juden in Berlin wider. Seine architektonische Gestaltung mit maurischen und orientalischen Einflüssen erinnerte an die Alhambra in Granada, folgte aber auch indischen Vorbildern.
Dies geschah einerseits im Kontext des Orientalismus, einer weit verbreiteten Faszination für den Orient, die bereits im 18. Jahrhundert zur Verwendung solcher Motive an europäischen Gebäuden führte.
Aus jüdischer Sicht bedeutete die Verwendung maurischer und orientalisierender Architektur jedoch etwas anderes: eine Bezugnahme auf das spanische Mittelalter, das im kollektiven Gedächtnis als "Goldenes Zeitalter" verankert ist, als Modell für eine vermeintliche Koexistenz zwischen Christen, Muslimen und Juden.
Auch eine Assoziation mit den geografischen und kulturellen Ursprüngen des Judentums im Osten, die als eine in die Architektur übersetzte Bekräftigung eines selbstbewussten Judentums interpretiert werden kann.
Mit anderen Worten: Diese Architektur war Ausdruck des Kampfes um soziale Gleichheit, wenn man so will, um einen nahezu gleichberechtigten Dialog.