Berufung

Volksfrömmigkeit als Gelegenheit zur Neuevangelisierung

David Schwingenschuh ist Pfarrer der beiden Gemeinden Krieglach und Langenwang in der Diözese Graz-Seckau im Land Steiermark im Südosten Österreichs.

David Schwingenschuh-21. August 2023-Lesezeit: 4 Minuten

Landmesse neben einer Marienkapelle ©Andreas Ebner

Krieglach und Langenwang liegen im Mürztal, das mit Eisenbahn und Schnellstraße als Verkehrsweg von Nordosten in Richtung Südwesten vom Durchzug geprägt ist – da passt das Patrozinium der Pfarrkirche von Krieglach: Sie ist dem hl. Jakobus geweiht. Sie sind mit über 5000 und knapp über 3000 Einwohnern nicht besonders groß, und wie auch andere Städte und das gesamte Land rundum ist für sie charakteristisch das Miteinander von Landwirtschaft und kleinen Industriebetrieben. Daher hält sich im weltlichen und kirchlichen Leben neben allen Neuerungen des 21. Jahrhunderts das zum Teil schon recht alte Brauchtum in Überlieferungen und Gewohnheiten der Menschen.

Die Ausgangslage meiner Überlegungen ist meine eigene als Pfarrer in einer ländlichen Region Österreichs im Jahr 2022. Einerseits ist da viel volksreligiöse Tradition und pastorale Struktur, andererseits diene ich als Priester alleine, wo vor 50 Jahren drei Priester gewirkt haben.

Einerseits ist da eine starke Veränderung im religiösen und kirchlichen Leben der Bevölkerung, andererseits der Ruf zur Neuevangelisierung oder Mission im eigenen Land.

Von manchen werden Erwartungen an den Priester und die Pfarre, welche aus der Geschichte kommen, als Hindernis für eine neue Pastoral empfunden und als Zeitverschwendung abgetan. Ich versuche es anders zu sehen und dazu hat mich auch ein Artikel in 30giorni bestärkt, welchen ich als ganz junger Pfarrer im Jahr 2008 gelesen habe. Darin wurde das Wirken von Priestern in Buenos Aires beschrieben, welche mit aktiver Unterstützung ihres damaligen Bischofs, Jorge Card. Bergoglio SJ, durch Volksfrömmigkeit, Kapellen und damit verbundene soziale Werke breite Schichten in problematischen Zonen der Stadt erreichen und evangelisieren.

Evangelisierung durch Volksfrömmigkeit

Warum also bereits Vorhandenes ablehnen, um etwas Neues, Unerprobtes zu implementieren? „Besser den Spatz in der Hand als die Taube am Dach“ sagt bei uns ein Sprichwort. Warum nicht Elemente der Volksfrömmigkeit nutzen, um den Glauben zu verkünden? Denn bei so manchen zu intellektuellen oder angeblich modernen Angeboten kommen wenig Menschen, während manche Anlässe des Brauchtums richtige Publikumsmagnete sind. Mir scheint, dass diese einfachen, volkstümlichen Feste die Glaubenswahrheit der Inkarnation besonders ernst nehmen, weil der leibliche Wesenszug des Menschen nicht weggeblendet wird. Auch der soziale Aspekt wird nicht vergessen, denn die größte Not in unseren Breiten ist wohl die Vereinsamung, welcher mit diesen liturgisch – pastoralen entgegengewirkt wird.

Segnung der Pferde

Ein gutes Beispiel ist die sogenannte „Fleischweihe“, offiziell Segnung der Osterspeisen genannt: Sie wird dezentral bei Kapellen und Wegkreuzen gefeiert und zieht sehr viele Menschen an, welche in großen Körben an Fleisch, Eiern und Brot zum Segnen bringen. Anstatt sie zu rügen, weshalb sie sonst nie zur Kirche kommen, kann man ihnen kurz und kompakt die Auferstehungsbotschaft verkünden und mit etwas Humor doch auch noch eine mahnende Botschaft mitgeben. Weil es sehr viele Stationen gibt, werden auch ausgebildete Laien mit der Leitung der Andachten und einem schlichten Segensgebet betraut. Allgemein ist es eine große Hilfe, gläubige Laien in diesem Anliegen an seiner Seite zu haben, die einem viele Aufgaben abnehmen. Oft wirken sie auch katechetisch, manchmal aber auch ganz praktisch und handwerklich, wie der nächste Punkt zeigt.

Straßenübergänge und andere Zölle

Kapellen und Wegkreuze gibt es viele und sie werden liebevoll gepflegt. Sie liegen oft entlegen, in kleinen Dörfern, und ich versuche wenigstens einmal im Jahr dort die Gläubigen zu sammeln und mit einer Eucharistie oder einer marianischen Andacht im Glauben zu stärken. Oft wird nach dem Gottesdienst eine Agape oder sogar ein kleines Fest abgehalten, was die Verbundenheit mit der lokalen Bevölkerung sehr fördert. Oft entsteht am Rande eines solchen Beisammenseins ein Glaubensgespräch oder die Anbahnung eines Sakramentes.

In einigen Tälern wurden verschiedene Kreuze, oft auch inmitten der Gehöfte oder ganz einsam im Wald gelegen, zu einer Route verbunden, welche dann als Kreuzweg in der Fastenzeit begangen wird. Weiters wären bestimmte mit Traditionen verbundene Feste zu erwähnen, wie Allerheiligen, Sankt Martin, Sankt Elisabeth, Sankt Barbara, Sankt Nikolaus, die heiligen drei Könige und vieles mehr. Besonders den Kindern und damit auch den Eltern kommen diese Bräuche entgegen.

Zu Ostern gibt es weitere Besonderheiten, zum Beispiel ein feierlicher Einzug der einzelnen Dörfer, begleitet von Blasmusik, Ministranten und Priestern am sehr frühen Morgen des Ostertages. Damit wird der Lauf der Apostel Petrus und Johannes zum leeren Grab nachgebildet.

Segnung eines Bildstocks

Da in der Coronazeit diese Bräuche eingeschränkt oder unmöglich waren, ist sehr vielen Menschen bewusst geworden, wie sehr sie an ihnen hängen und wie viel ihnen doch der Glaube bedeutet. Deshalb war zuletzt die Teilnahme wieder sehr hoch und eine Gelegenheit zur Verkündigung des Glaubens. Mir scheint, dass man mit einem Schuss Humor und einem tiefen Ernstnehmen der Sorgen der Menschen die Botschaft der Hoffnung in frommer und authentischer Weise in die Herzen der Menschen säen kann, um dann den Herrn der Ernte um seinen Segen und seine Gnade für die keimende Saat zu bitten.

Der AutorDavid Schwingenschuh

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